Hilfe – mein Hund knurrt mich an!

//Hilfe – mein Hund knurrt mich an!

Hilfe – mein Hund knurrt mich an!

Hilfe – mein Hund knurrt mich an!

Mythos

Viele HundetrainerInnen kommunizieren auch heute noch, dass ein Hund auf gar keinen Fall einen Menschen anknurren darf. Dieses Verhalten müsse sofort unterbunden werden.

Was ist die Folge?

Was ist die Folge, wenn wir einen knurrenden Hund für sein Verhalten strafen – körperlich oder verbal? Bei vielen Hunden passiert gegenüber uns Menschen „zum Glück“ zunächst einmal gar nichts. Sie haben gelernt, tolerant zu sein, da wir aus hundefreundlicher Sicht ständig „übergriffig“ (z. B. durch Umarmungen oder über den Kopf streicheln) werden. Zur Konfliktvermeidung versuchen sie nun, andere Signale anzuzeigen, wie sie sich fühlen oder versuchen sich irgendwie der Situation zu entziehen. Wird das Knurren aber immer eine negative Konsequenz zur Folge haben (verbale oder körperliche Strafe), wird es in Zukunft weniger häufig gezeigt werden. Doch führt die Bestrafung in einer Konfliktsituation nicht dazu, dass der Hund seine Emotion ändert – im Gegenteil. Was er durch das Knurren bezwecken wollte, nämlich sich mehr Distanz zu verschaffen oder das bedrohliche Verhalten des Menschen zu unterbrechen, möchte er immer noch erreichen. Die ständige Bestrafung für das Knurren, mit dem der Hund den Menschen warnen wollte, traut er sich nicht mehr einzusetzen. Die Anspannung steigt auf das nächste Level, dem Schnappen oder auch einem ernsten Beißen. Mit dem Unterbinden von Verhalten, welches der Hund zur Verhinderung der Eskalation eines Konfliktes einsetzt, macht man einen Hund also keineswegs verlässlicher.

Selbstverständlich ist der Wunsch immer, einen freundlichen, entspannten Hund als Begleiter zu haben. Niemand wird stolz darauf sein, häufig von seinem Hund angeknurrt zu werden. Ist dies der Fall, sollte man sich auf eine vernünftige Ursachenforschung begeben und das Problem gemeinsam mit dem Hund anpacken: Was kann der Hund lernen, was kann ich lernen? Miteinander am Problem zu arbeiten und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen ist die nachhaltigste Methode, um positive Veränderungen herbei zu führen. Knurren ist eine normale und sinnvolle Komponente des hündischen Sozialverhaltens und sollte auch als solche verstanden und genutzt werden.

Was ist Knurren?

Knurren ist zuallererst einmal Kommunikation. Knurren bedeutet: Geh weg, komm nicht näher, ich habe Angst, ich fühle mich unwohl, ich fühle mich bedroht. Diese Gefühle äußert der Hund per Laut. Wir können meist sicher sein, dass dem Knurren bereits viele andere körpersprachliche Signale vorausgegangen sind. Knurren gehört also zum ganz normalen Ausdrucksverhalten des Hundes und ist somit eine ganz normale Reaktion des Hundes. Das heißt nicht, dass es schön wäre, wenn es so weit kommt. Bitte nicht falsch verstehen! Man sollte froh sein um jeden Hund, der – wenn es für ihn eng wird – erst mal knurrt und nicht gleich deutlichere Reaktionen zeigt, wie Schnappen oder Beißen!

Hunde drücken also mit dem Knurren aus, das ihnen das Verhalten ihres Gegenübers unangenehm ist, sie bedrängt oder ihnen Angst macht.

Was können die Auslöser sein?

Ressourcenverteidigung

Ein Hund reagiert mit Knurren oder Schnappen auf die Annäherung eines Menschen oder Hundes, während er eine begehrte Ressource hat.

Was sind Ressourcen?

Ressourcen können zum Beispiel Futter, Spielzeug, Kauknochen, Liegeplätze, besondere andere Gegenstände (Stöckchen) oder Personen sein. Die Verteidigung von diesen Dingen macht in der Natur durchaus Sinn. Wer seine Ressourcen vor anderen abschirmt, hat mehr Chancen zu überleben. Dominanz und Rangordnung spielen hierbei allerdings keine Rolle.

Stressfaktoren

Das Umfeld, in dem unsere Hunde ohne eigene Wahlmöglichkeit leben, spielt natürlich auch eine große Rolle. Langfristig gesehen bringt das selbst den gelassensten Hund aus der Ruhe, wenn seine Signale ständig falsch oder gar nicht wahrgenommen werden.

Veränderungen

Hunde können auf Veränderungen in ihrem Lebensumfeld, wie z. B. ein Umzug, Platzwechsel, Veränderung in der familiären Situation, neu hinzukommende Haustiere etc., sehr sensibel reagieren. Die Hunde zeigen sich in solchen Phasen der Veränderung weniger entspannt als sonst. Es kann dazu führen, dass sie reizbar sind oder unsicherer agieren. Ausgelöst wird dann u. U. Drohverhalten auch in kleineren Anlässen als sonst oder in ungewöhnlichen Kontexten.

Schmerzen

Krankheiten, die Schmerzen verursachen und zur Folge haben, dass Berührungen als unangenehm empfunden werden.

Angst/Frustration/mangelnde Impulskontrolle
Der Hund hat Angst um sein Wohl aufgrund schlechter Erfahrungen.
Es hat sich große Frustration, z. B. resultierend aus harter Erziehung aufgebaut. Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind nicht genügend ausgebildet.

Auslastung

Die richtige Auslastung für den Hund finden ist ein wichtiger Aspekt. Fehlende oder aber auch übertriebene Auslastung kann ein Auslöser für Knurren oder Schnappen sein.

Fehlen von Entspannung und Rückzugsort

Nicht zu unterschätzen ist die Entspannung für den Hund. Wurde beim Hund die Entspannung nicht gut konditioniert – er hat es einfach nicht gelernt, zu entspannen – kann dies ebenfalls zu Knurren und Schnappen führen. Der Hund findet keinen Rückzugsort, an dem er sich absolut sicher fühlt und entspannen kann.

Welche Signale hat der Hund vor dem Knurren gesendet?

Er will, dass man ihn in Ruhe lässt! Das ist genau das, was der Hund in solch einer Situation zum Ausdruck bringen will und nichts anderes. Der Hund fühlt sich bedroht und er sagt es laut und deutlich mit Knurren! Horch einmal in Dich hinein, stell Dir die Situationen vor Deinem geistigen Auge vor. Hast Du vielleicht die leisen und höflichen Signale davor nicht wahrgenommen? In der Regel hat er Dir vorher schon Signale zur Beschwichtigung gesendet, wie z. B.:
• dass er Angst hat, du nimmst ihm etwas weg
• dass er Angst hat, du kommst ihm zu nah
• dass es ihm zu eng wird
• dass er sich bedroht fühlt.

Was passiert, wenn Du die Signale übersehen hast?

Hast Du die zuvor genannten Signale übersehen, wird die Bedrohung und die Angst für ihn immer größer! Also wird er deutlicher in seiner Sprache und knurrt.

Wenn Du nun das Knurren nicht duldest, weil Du aus Deiner Sicht das Verhalten des Hundes als „respektlos“ empfindest, es bestrafst und damit unterbindest, muss der Hund eine andere Strategie wählen. Er greift nun wahrscheinlich zum nächsten Mittel, dem Schnappen und Beißen. Die Reaktion des Hundes hängt davon ab, wie hoch seine Erregung ist, wie er mit Konflikten umgeht und wie hoch seine Impulskontrolle ist. Genau darum ist es so wichtig, auf das Knurren richtig zu reagieren!

Wie reagierst Du aber nun richtig?

Mit dieser Frage bist du nicht allein! Das Knurren des eigenen Hundes erschreckt und verstört den Halter erst einmal.

1. Haltung überprüfen – Risiken vermeiden!

Wenn Dein Hund knurrt, dann solltest Du zuerst Dein eigenes Verhalten überdenken. Kennst Du die Körpersprache Deines Hundes? Weißt Du, welche Beschwichtigungssignale der Hund sendet? Hast Du Deinen Hund vielleicht unbewusst bedroht? Wurden vorausgehende Signale Deines Hundes von Dir übersehen?

Gehe kein unnötiges Risiko ein. Bevor Du Dich auf einen Konflikt einlässt, denke an deinen Selbstschutz, um nicht verletzt zu werden. Damit zeigst Du keine Schwäche oder Unwissen. Unterbreche die Handlung, die das Knurren ausgelöst hat. Wenn sich der Hund daraufhin etwas entspannt, kann man sich so ruhig als möglich von ihm entfernen. Ein möglichst ruhiger und schneller Rückzug ist im Zweifelsfall immer die beste Lösung.

Überlege, wie man die Situation in Zukunft anders gestalten könnte? Kann man seine Handlungen verändern, um für den Hund klarer und positiver zu sein? Hole Dir im Zweifel professionelle Hilfe von einem gut ausgebildeten Trainer. Lege mit ihm die Lernziele fest, damit es in derselben Situation in Zukunft nicht mehr zum Knurren kommt? Lass Dir zeigen, wie Du Deinen Hund motivieren kannst, das gewünschte Verhalten zu zeigen, ohne einen möglichen Konflikt und somit Knurren auszulösen!

2. Lerne, Deinen Hund richtig zu lesen!

Analysiere die Situation, welche das Verhalten ausgelöst hat. Welches Verhalten hast Du gezeigt, bevor Dein Hund das Knurren zeigte? Wo tritt das Verhalten auf? Überall, nur an bestimmten Orten oder in ganz spezifischen Zusammenhängen? War es ein einmaliger Vorfall oder kam es schon öfter vor?

Normalerweise reagiert ein Hund erst mit Beschwichtigungssignalen, bevor er zu Flucht und Abwehr übergeht, und soweit sollte es nicht kommen.

Wie kannst Du nun Deinen Hund richtig lesen, also die leisen Töne und die höflichen Ansagen hören und sehen? Denn mit diesen lässt er dich wissen, dass es jetzt allmählich unangenehm wird.

Dazu gehören alle Beschwichtigungssignale (Calming Signals) wie z. B.:
• eigene Schnauze lecken
• Augen zusammenkneifen
• Pföteln
• Schmatzen
• Schnauzenstöße
• Gähnen
• Blick abwenden / Kopf senken und abwenden
• Körper abwenden / auf den Rücken legen
• Schwanzwedeln
• am Boden schnüffeln
• im Bogen oder Schlangenlinien laufen
• Ignorieren / Urinieren
• Verlangsamung der Bewegungen

Mit diesen Signalen teilt Dein Hund dir mit, dass es ihm jetzt zu eng bzw. bedrohlich wird.

Auch Stress-Symptome können dazugehören. Das heißt, Dein Hund ist jetzt schon so aufgeregt, dass er nicht mehr klar denken kann. Druck von Deiner Seite hält er dann nicht mehr aus.

Kommt es dazu, dass Dein Hund “einfriert”, ist der Moment erreicht, wo er seine vergeblichen Bemühungen um eine friedliche Konfliktbeilegung auf Abwehr ändert. Bekommst Du das auch nicht mit und machst mit der für den Hund bedrohlichen Handlung immer weiter, kommt als Nächstes schon das Knurren.

Es ist also unabdingbar, die Körpersprache Deines Hundes wirklich gut lesen zu können, zu kennen und zu verstehen!

3. Informiere Dich: „Was heißt Knurren?“

Knurren heißt “Stopp” – bis hierher und nicht weiter! Oder: Halt! Keinen Schritt weiter – das ist zu viel! Stopp!

Versetze dich einmal in die Lage, wie Du Dich fühlen würdest, wenn Du selbst in einer bedrohten Lage wärst. Nehmen wir mal an, Du würdest rufen: “Stopp! Sofort aufhören!” Welche Reaktion würdest Du erwarten? Natürlich, dass die Bedrohung aufhört und genau das erwartet Dein Hund auch. Also reagiere vernünftig und gehe erst einmal einen Schritt zurück. Lass Deinem Hund Luft, atme ruhig durch und nimm den Druck raus. Überprüfe Deine Körperhaltung, gehe nicht frontal auf Deinen Hund zu und hör auf, ihn zu bedrängen, bedrohen, oder was immer es ist, was Deinem Hund grad zu viel wird.

Dabei ist es egal, ob Du der Meinung bist, das ist ja nicht so schlimm oder das muss er aushalten. Selbst wenn Du glaubst, dass Du Dich ganz lieb und harmlos verhältst, kann Dein Hund das ganz anders empfinden.

Die menschliche Reaktion ist leider oft anders. Häufig ist die Maßregelung die erste Reaktion. Man erschrickt sich so sehr, wenn man von der eigenen geliebten Fellnase angeknurrt wird, dass man womöglich reflexartig noch den Druck erhöht. Man reagiert erschrocken, regt sich auf, verkrampft sich, schimpft mit dem Hund und bedrängt ihn erst recht. Seltsam, oder? Wäre es nicht sinnvoller, die Drohgebärden zu beachten und die Distanz zu der Bedrohung zu vergrößern?

Kleinere Rassen erleben das häufig beim Frisieren, wenn es ihnen zu unangenehm wird, fangen sie irgendwann an zu knurren. Während es weiter reißt und ziept, wird ihm u. U. einfach der Kopf weggedreht oder noch schlimmer, das Maul zugehalten.

Zwar erzielen große Rassen mit dem Knurren häufig eine bessere Wirkung, doch sie meinen beide dasselbe. Übersetzt geben sie zum Ausdruck, dass es ihnen zu viel ist und sie ihre Ruhe haben wollen. Genau das sollte auch Deine Reaktion sein, hör auf mit Deiner Handlung und lass ihn in Ruhe, damit die Sache nicht weiter eskaliert. Überlege stattdessen in Ruhe, wie es nun weitergeht.

4. Problem erkennen und Umlernen

Das soll nun aber nicht bedeuten, dass Dein Hund nun bei jeder „Gelegenheit“ knurren darf. Es ist natürlich nicht in Ordnung, wenn Dein Hund jedes Kind anknurrt, oder Dich anknurrt, wenn er Angst hat, dass Du ihm etwas wegnehmen willst. Für dieses Problem solltest Du unbedingt einen erfahrenen Trainer zurate ziehen. Dieser erkennt, was das eigentliche Problem ist, welches das Knurren auslöst. Genau das ist der springende Punkt. Denn nicht das Knurren ist das Problem, sondern die Situation, in der sich der Hund bedrängt fühlt.

Die einfachste Lösung, das Problem zu beheben wäre, die auslösende Situation zu vermeiden.

Vermeide,

• Dich frontal von oben über Deinen Hund zu beugen.
• fremden Menschen, insbesondere Kindern, zu erlauben, Deinen Hund zu streicheln, wenn Du weißt, dass er das nicht mag.
• ihn mit anderen Hunden zusammen zu lassen, wenn diese ihm Angst machen, ihn bedrängen oder er lieber Distanz zu ihnen möchte.
• Deinen Hund mit dem Halsband zu würgen, auch wenn das unabsichtlich passiert.
• Deinen Hund zu schubsen oder zu drücken.

Solche und ähnliche Situationen erfordert von Dir genaues Hinschauen. Wieder ist es unerlässlich, dass Du Deinen Hund lesen kannst. Nur so kannst du rechtzeitig einschreiten und reagieren statt agieren.

Situationen, die sich nicht vermeiden lassen, wie z. B. der Besuch eines Tierarztes, müssen entschärft werden. Das funktioniert nur, wenn diese neu aufgebaut werden, damit der Hund sie nicht mehr bedrohlich empfindet und möglichst neutral, am besten sogar positiv erleben kann. Der Hund soll gar keinen Grund mehr haben zu knurren oder sich zu wehren.

Wenn er z. B. sein Futter oder Spielzeug verteidigt, kannst Du mit ihm üben, Dinge zu tauschen. Nähere Dich Deinem Hund nicht frontal, sondern leicht seitlich gedreht, schaue ihn nicht an und zeige ihm den Tauschgegenstand. Dieser muss natürlich attraktiver sein, als das, was er gerade verteidigt.

Sei vorsichtig, aber zeige keine Angst, agiere besonnen und überdenke Deine Körperhaltung!

Das musst Du unbedingt beachten!

Ziehe einen erfahrenen Trainer, Verhaltensberater oder Fachtierarzt zurate. Eine große Bitte: Befolge niemals Ratschläge wie z. B. den Hund auf den Rücken oder auf die Seite werfen, Nackenschütteln, Stachelhalsband, Schnauzengriff oder andere Bestrafungen. Mit solchen Maßnahmen wird das Verhalten stark verschlimmert.

Nimm das Knurren nie auf die leichte Schulter! Die Sache ist viel zu ernst. Bedenke dies für Dich und für Deinen Hund. Schließlich willst Du eine gute Bindung zu Deinem besten Freund und er soll sich doch auf Dich verlassen können.

 

Von | 2021-02-01T12:28:49+01:00 Mai 20th, 2019|Uncategorized|30 Kommentare

Über den Autor:

Hey, ich bin Martina Leist und lebe in Rödinghausen-Bruchmühlen mit meinem Mann, meiner Mutter und unseren drei Eurasiern. Mit großer Leidenschaft arbeite ich als zertifizierte Hundetrainerin nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und der positiven Verstärkung nach den Vorgaben von Trainieren statt dominieren. Neben der Verhaltensanalyse und einem kompetenten Hundetraining biete ich auch eine fachkundliche Beratung zur Ernährung von Hunden.